Was bisher geschah

Man arbeitet ewig auf etwas hin, strengt sich an, hat Glück und schafft, was man sich vorgenommen hat. Nach einer Weile hat man die ganzen kleinen Einzelschritte, die zum Ziel geführt haben, aber schon wieder vergessen. Kennt ihr das? Mir ging es auf jeden Fall gerade auf unserem Kurzurlaub in Paris so. Durch das Abschalten vom Alltagsstress ist mir erst so wirklich klar geworden, dass wir in nicht einmal zwei Monaten unser Leben in Australien beginnen werden. Wie genau ich uns das “eingebrockt” habe, war mir aber gar nicht mehr so präsent. Deshalb hier eine kurze Zusammenfassung für mich und für euch, wie sich die ganze Sache mit der Promotion in Australien eigentlich ergeben hat.

August 2015

Ich bin gerade mit meinem Auslandssemester an der UQ (University of Queensland; Die Uni, an der ich jetzt auch meinen PhD machen werde) fertig geworden und mache mit Lisa einen Roadtrip entlang der Küste Australiens. Ich denke, dass ich maximal für 2-3 Wochen Urlaub nach Brisbane zurückkommen werde.

April 2016

Meine Bachelorarbeit ist gut gelaufen und mein deutscher Prof fragt mich, ob ich mir vorstellen könnte, nach meinem Master in Australien zu promovieren. Er und die Forschungsgruppe in Australien hätten gerade einen Förderantrag gestellt und dabei würde eine spannende Promotionsstelle rausspringen. Aufgeregt. Zugesagt.

November 2016

Satz mit x war wohl nix. Der Antrag ist abgelehnt worden, meine Promotionsstelle gibt es also nicht. Für die nächsten 12 Monate denke ich, dass ich wahrscheinlich in Deutschland promovieren werde oder nach dem Studium einfach zu arbeiten beginne.

Januar 2017

Ich habe mit meiner Masterarbeit angefangen. Ich will für das Uniklinikum Würzburg eine Datenbrille entwickeln, auf der die Ärzte im OP die Vitalzeichen ihrer Patienten kontrollieren können. Ich finde die Idee ziemlich cool, aber nichts läuft. Das größte Problem ist, dass ich die Patientendaten nicht auslesen kann, weil es keine passende Programmierschnittstelle gibt.

März 2017

Ich fange an, 20 Stunden in der Woche bei Boeing in Frankfurt zu arbeiten. Durch das Pendeln nach Frankfurt und die vielen regulären Univorlesungen habe ich für die Masterarbeit kaum mehr Zeit. Ich überlege, ob ich wegen der ganzen Probleme mit der Datenbrille nicht einfach ein andere Masterarbeit schreiben soll.

September 2017

Mein Prof wird ungeduldig, weil es mit der Datenbrille nichts vorangeht. Ich bekomme genervte Emails. Ich würde im Master gerne für ein paar weitere Monate an einer anderen Uni studieren und organisiere mir deshalb ein Auslandssemester in Vietnam. Starttermin für das Vietnamabenteuer ist März 2018. Meine Bewerbungsunterlagen muss ich bis Januar eingereicht haben.

November 2017

Ein anderer Förderantrag wird in Australien genehmigt. Es gibt doch eine offene Promotionsstelle an der UQ. Das Thema ist perfekt für mich. Es soll erforscht werden, ob Notfallsanitäter während ihrer Arbeit sinnvoll mit Datenbrillen unterstützt werden können. Ich werde wieder gefragt, ob ich Interesse an der Stelle hätte. Lisa und ich haben immer noch Lust auf Australien. Also sage ich wieder zu und kündige bei Boeing, um mehr Zeit für die Uni zu haben. Für die Chance nach Australien zu gehen, muss ich auch meine Vietnampläne begraben. Durch das Auslandssemester würde ich zu lange mit dem Studium brauchen.

Dezember 2017

Panik. Mein Prof hat mir eröffnet, dass ich für die Promotion in Australien ein Stipendium brauche. Welches weiß er nicht genau. Sicher ist aber, dass ich wissenschaftliche Veröffentlichungen und Auszeichnungen brauche, um bei den Bewerbungsrunden eine Chance zu haben. Auf meinem Publikationskonto ist aktuell ein einziger einseitiger Konferenzkurzbeitrag. Der zählt nicht viel. Die gute Nachricht: Bis Januar kann man bei der CHI (Conference on Human Computer Interaction; die wichtigste Konferenz in meinem Forschungsbereich) Late-Breaking-Work einreichen. Meine Uniklinik-Datenbrillen-Arbeit wäre der perfekte Beitrag. Die schlechte Nachricht: Seit 12 Monaten ist mit der Arbeit kaum etwas vorangegangen.

Januar 2018

Im Dezember habe ich eigentlich nur im Krankenhaus gesessen und versucht, die Brille zum Laufen zu bekommen. Ein Ansatz hat halbwegs funktioniert. Diesen Ansatz schreibe ich mit meinem Prof und einem Arzt aus dem Krankenhaus auf. Nach ewigen Feedbackrunden kann ich das Paper am 15.01 bei der CHI Konferenz einreichen.


Datenbrille im Krankenhaus testen

Februar 2018

Ich weiß inzwischen, bei welchen Stipendien ich mich bewerben kann. Es gibt das Endeavour Stipendium vom australischen Staat und das Vollstidendium der UQ. Für beide Stipendien brauche ich möglichst viele Publikationen und muss vor allem meinen Master bis Sommer fertig bekommen. Mir ist klar, dass ich in den nächsten Monaten richtig reinhauen muss, um das zu schaffen. Am 16. Februar sitze ich mit Fabi und Simon in der Kneipe und bekomme eine Mail, dass mein Paper bei der CHI angenommen wurde. Runde ausgegeben. Ein Schritt geschafft, viele weitere zu gehen.

März 2018

Die Datenbrille funktioniert endlich und ich kann sie mit Ärzten im Krankenhaus testen. Es kommt aber schon die nächste Herausforderung auf mich zu. Um mich auf die Promotionsstelle bewerben zu können, muss ich nachweisen, dass ich Englisch spreche. Ich melde mich für den IELTS Englisch Test an. Nach der Überweisung der bescheidenen Testgebühr von 223€, fahre ich am Samstag den 23. März nach Frankfurt. Die Prüfung dauert 5 Stunden und findet im bestimmt ältesten und ranzigsten Hörsaal der Göthe-Uni statt. Ich bin aufgeregt und beim Leseteil der Prüfung korrigiere ich eine Antwort nach Ende der Bearbeitungszeit. Ich bekomme gesagt, dass mein Fehlverhalten notiert wurde. Bin ich jetzt durchgefallen? Ich weiß es nicht und kann mich bei den nächsten Prüfungsteilen gar nicht mehr konzentrieren. Am Abend fahre ich nachhause und bin mir sicher, dass ich die benötigte Punktzahl beim Test nicht geschafft habe.

April 2018

Ich habe meine IELTS Testergebnisse. Irgendwie hat es doch geklappt. Die Tests nach dem Leseteil waren zwar schlecht, aber insgesamt habe ich doch 7,5 von 9 Punkten erreicht und bin damit über dem gefordertem Sprachniveau von 6,5 Punkten. Jetzt muss ich in 2 Monaten nur noch die Daten für meine Masterarbeit auswerten, die Arbeit schreiben und von meinen Profs bewerten lassen. Außerdem wenn möglich noch eine weitere Publikation raushauen und die ganzen Bewerbungsunterlagen für die Stipendien ausfüllen. Auf einer kleinen Tafel in unserem Arbeitszimmer schreibe ich immer meine aktuellen Aufgaben. Gefühlt kommen mehr Aufgaben dazu als verschwinden.


CHI Conference in Montreal

Juni 2018

Ich habe meine Masterarbeit eingereicht und sie nach zwei Wochen bewertet zurückbekommen. Jetzt schreibe ich die Masterarbeit gemeinsam mit zwei Profs zu einem Paper um. Außerdem reiche ich meine Masterarbeit bei einem amerkanischen Wettbewerb für junge Forscher ein.

Juli 2018

Ich bin mit Steffen in Schottland wandern. Die Bewerbung für das UQ Stipendium ist fast fertig. Am Loch Lomond bekomme ich dann die heiß ersehnte Email vom Prüfungsamt, dass mein Masterzeugnis ausgestellt wurde. In Edinburgh, dann eine weitere Mail, dass ich den amerikanischen Wettbewerb gewonnen habe. Der schon gute Urlaub wird noch besser. Zurück in Deutschland reiche ich unser endlich fertiggestelltes Paper über die Datenbrille bei der Fachzeitschrift “Anaesthesia” ein (das Paper wird später leider nicht angenommen), aktualisiere meine Dokumente und schicke meine Bewerbung für das UQ Stipendium ab.


Wandern mit Steffen in Schottland

August 2018

Ich bin total am Ende und liege hauptsächlich in unserer Wohnung rum. Viel unternehmen kann ich nicht. Ich brauche erstmal ein paar Wochen, um wieder klarzukommen. Ende August reiche ich dann noch meine Bewerbung für das staatliche Endeavour Stipendium ein.

Oktober 2018

Ich erwarte die Rückmeldung vom UQ Stipendium am 07. November. Als ich am 25. Oktober um 9 Uhr morgens dann auf dem Klo (🙈) meine Emails checke, kann ich es kaum glauben: Die Zusage für das UQ Stidendium ist da. Wir werden wirklich für 3 Jahre nach Australien gehen…

Beim Schreiben des Beitrags ist mir wieder aufgefallen, wie knapp die ganzen Fristen waren und wie viel Schinderei notwendig war, um alles rechtzeitig fertig zu bekommen. Zum Glück hat am Schluss alles geklappt. Aktuell freue ich mich jeden Tag mehr auf Australien und hoffe nur, dass ich die Rückmeldung für das staatliche Endeavour Stipendium im Februar an einem etwas netteren Ort als auf dem Klo bekomme!

Bis bald,
Paul

Paul
paul@itsschloppers.com